Das dritte Spiel einer Reihe bedeutet das Ende der Welt. Denn abseits der unmöglich zu erreichenden Verkaufsprognosen, wissen die Entwickler zwischenzeitlich, was die Käufer mögen. Daraus folgert aber auch, dass das Verändern oder sogar Entfernen von Features zu wütenden Mails, Foren Petitionen oder umgeworfenen Autos auf dem hauseigenen Parkplatz führt. Auf der anderen Seite war Age of Empires 2 bereits ein gigantisches Spiel und Ensemble Studios konnte nicht schlicht mehr Features dran schrauben. Sie mussten etwas raus werfen und das Spiel grundlegend anders konzeptionieren. Wie radikal diese Änderungen sein sollten, sahen sämtliche Mitarbeiter anders. Worin sich alle einig waren, war 3D Grafik. Sie sollte eine rotierende Karte und Einheiten-Innovationen mit sich bringen.
Die Ensemble Mannschaft hielt tagelange Brainstorming Sessions, über das nächste mögliche Setting ab. Denn die meisten guten Themen waren bereits von konkurrierenden RTS erschöpft worden und das typische Erkunden/Aufbauen/Kämpfen-Modell wurde trist. Zur Diskussion standen Settings wie Age of Dinosaurs, Age of Mad Max, Age of Submarines oder Age of Vampires. Dutzende dieser Ansätze erlebten echte Konzepte und die Top 5 erhielt sogar Prototypen. Bruce Shelley sah großes Potential für ein zweiter Weltkrieg Szenario, was es bis dahin noch nicht gab. Etwas das Konkurrent Relic Entertainment Jahre später mit Company of Heroes erfolgreich anging. Ensemble Studios Kompromisslösung wurden hingegen alte Mythen. Denn sie boten ein grobes historisches Gerüst, womit das Team auf ihren Stärken aufbaute, sie konnten gänzlich andere Einheiten-Designs ausprobieren und Käufer waren ungefähr mit der Thematik vertraut.
Der mittlerweile zum leitenden Designer aufgestiegene Ian Fischer arbeitete heraus, welche Mythologien zugänglich, verbreitet und nicht zu kontrovers waren. Ian war in Pittsburgh geboren und studierte an der „Pitt“ englisches Schreiben sowie Politikwissenschaften, bevor er sich bei der Navy einschrieb und sowjetische U-Boote aufspürte. Nebenbei schrieb er hobbymäßig Spiele für seinen Freundeskreis, deren Designs ihm zum Ende seiner militärischen Laufbahn und Age of Empires 1 einen Job bei Ensemble einbrachten. Ians Recherche führte ihn zu griechischer, nordischer und ägyptischer Mythologie. Denn keine von diesen diente als Basis einer wichtigen heutigen Religion und trotzdem waren alle bekannt. Womit sogar schon die typische Dreiteilung des Covers von Age of Mythology feststand.
Ganz oben auf Ensembles Wunschliste stand eine erstklassige epische Kampagne. Die vorangegangenen Age Games boten mehrere unterschiedliche Kampagnen, weil es im Verlauf der Geschichte schlicht so viele interessante Ereignisse gab. Sie konnten schließlich nicht einfach die Kreuzzüge, den Mongolensturm oder den Hundertjährigen krieg überspringen. Selbiger Ansatz wäre für Age of Mythologys Kampagnen sehr einfach gewesen. Aber Ensemble Studios wollte eine einzige epische Geschichte erzählen und dabei viel Raum für Charaktere und Umgebungen schaffen, ohne sich auf endlose Zwischensequenzen zu beschränken. Das größte Problem dieses am Ende 130-seitigen Skripts war die Rechtfertigung dafür, dass Ägypter, Griechen und Wikinger Nachbarn wurden, auch wenn sie geographisch und zeitlich weit voneinander getrennt waren. Zudem wollte das Team bekannte mythologische Erzählungen wie den Trojanischen Krieg oder Ragnarök integrieren. Ähnlich benutzten sie mythologische Charaktere wie Ajax oder Odysseus und dachten sich komplett neue aus, wie Protagonist Arkantos und seinen Antagonist. Effektiv arbeiteten nun fünf statt einem Content-Designer an der Age of Mythology Kampagne. Aber Vielen des Teams fehlte schlicht Schreib-Erfahrung auf dem Gebiet, weshalb sie zwei Trips nach Hollywood unternahmen, um dort Talente anzuheuern. In Verbindung mit der eigenst dafür entwickelten Bang-Engine, sah der Spieler so, zwischen den Missionen Geschehnisse mit Abblenden, Kameraschnitten und weiteren Tricks der Kinematografie. Statt denn Sechs-Polygon-großen Figuren des normalen Spielgeschehens, arbeiteten Ensembles Künstler dafür hoch-polygon-lastige Versionen der Hauptcharaktere aus und ersetzten sie in den Cinematics. So endete jedes Szenario der Kampagne mit einem Zoom ins Geschehen, was zur Handlungssequenz führte und das nächste setzte mit einem Zoom heraus ein.
Abseits der Kampagne, der entstehenden Engine sowie eines Multiplayer-Online-Services, stellte sich generell die Frage, was Veränderungen und die neue Mythologie-Richtung bedeutete? Manche Teammitglieder glaubten, es würde ausreichen Ritter mit Minotauren zu tauschen. Die nächste Gruppe wollten das Konzept komplett umkrempeln und gänzlich auf Gebäude verzichten. So begann das Ensemble Team mit einer Basis-Liste von coolen mythologischen Ideen und erweiterten sie um Gameplay bereichernde Elemente. Wenn sie dafür einen Spezial-Effekt brauchten, schlugen sie in Bulfinch’s Mythology oder Edith Hamilton’s Mythology nach und guckten, auf welche Kreatur es passen könnte. Dieser Prozess verselbstständigte sich, als das Team entschied, jede mystische Einheit, also Minotauren, Zyklopen, Medusen usw., bräuchte einen einzigartigen Spezialangriff, wie den Nemean Lion’s Roar oder Wadjet’s Spit. Ensembles typische Vorgehensweise, durch tägliche Spielpartien Elemente zu testen, eliminierte dabei Dinge wie die Riesenschlange Apep oder den ägyptischer Sandriesen. Sie waren einfach zu schwierig auf den Bildschirm zu bannen.
Einhergehend mit den mythologischen Einheiten fanden Götterkräfte ihren Weg in Age of Mythology. Etwas, das sich auf dem Papier gut anhörte und einen zusätzlichen Interface-Button bekommen sollte. Doch in der Praxis entpuppte sich eine Iteration nach der anderen als Fehlschlag. Sie fingen mit Helden an, die um sich herum die jeweilige Götterkraft erflehten. Wodurch der Gegenspieler sämtliche Einheiten selektierte und den Helden massakrierte. Was wiederum mit Kommentaren endete, wie „die Helden fühlen sich nicht heroisch an“. Obendrein wirkte es merkwürdig, wenn der Held einen rasenden Meteoriten herbei rief, ihn auf den Kopf bekam, aber selbst nicht daran starb. In der folgenden Iteration errichtete besagter Held eine Art „Blitzableiter“. Damit er selbst entkommen und der Feind auf diesen eindreschen konnte. Was sich jedoch als wenig unterhaltsam erwies. Im Anschluss ging Ensemble den Pfad der Konkurrenz, Götterkräfte an Rohstoffe zu knüpfen. Was dazu führte, das Spieler mit starker Wirtschaft unaufhaltsam Naturkatastrophen auf ihre Feinde herabregnen ließen. Es widersprach außerdem Ensembles Philosophie, Strategien kontern zu können. Zur finalen Lösung gedieh letztlich, Götterkräfte nur einmal benutzbar zu machen. So agierten sie wie der Joker eines Kartenspiels. Wenn es nur einen Meteor gab, dann könnte dieser ruhigen Gewissens unzählige Gebäude toasten. Das brachte die Götterkräfte-Entwicklung beinahe ins Ziel. Verfeinert wurde die Lösung durch das bereits etablierte Konzept der vier Zeitalter, in denen der Spieler nun neue Götterkräfte erhielt. Da Kräfte auf bestimmten Karten unbrauchbar sein konnten, durfte er mit voranschreitendem Zeitalter selbst die zu verwendende Fähigkeit wählen. Auf diese Weise fanden Tornados, Flüche oder die umherstreifenden Wölfe Fimbulwinters Einzug ins Age of Mythology.
Die 32-Szenarien umspannende „Sturz des Dreizacks“ Kampagne, um Zeus, Re und Odin lobten die Magazine beinahe so hoch wie das gelungene Grafik-Update und den überwältigenden Soundtrack. Age of Mythology sackte beim Oktober 2002 Release erneut Spitzenwertungen mit durchschnittlich 89 Punkten, sowie Spiel des Jahres Auszeichnungen, von unzähligen Zeitschriften ein. Mit rund einer Millionen verkauften Exemplaren innerhalb von vier Monaten, lagen die Verkaufszahlen jedoch deutlich hinter Microsofts Erwartungen zurück. Ungeachtet des sehr ähnlichen Namens und Covers zeigte deren Marktforschung später, die Hälfte der Konsumenten hielt Age of Mythology gar nicht für ein Age of Empires Spiel.